Wir fahren in die Brenta … äh, die Schweiz

Vom 28.08 bis zum 02.09 die Brenta durchqueren, das war der Plan für die Sommerferien. Nachdem aber die restlichen Teilnehmer der Tour absagen mussten, hatte ich kurz die Befürchtung im Sommer gar nicht mehr in die Berge zu kommen. Als vier Tage vor dem geplanten Start dann mein Handy klingelte und Bertram gefragt hat, ob es denn in Ordnung für mich wären, wenn wir nicht in die Brenta, sondern auf Hochtour in die Schweiz fahren würden, wusste ich, dass mein Wunsch dieses Jahr eine Hochtour zu gehen, in Erfüllung gehen wird. Das Ziel stand dann auch relativ schnell fest, wir fahren auf die Monte Rosa Hütte und wie es von dort genau weiter gehen soll, war zumindest für mich noch sehr lange unklar.

Sonntag 28.08.2022 (Anreise + Hüttenzustieg)

Und so ging es am Sonntag um 5:30 in Mainburg mit vollgepackten Rucksäcken los in Richtung Schweiz. Kurz vor der Schweizer Landesgrenze kam die Frage, ob ich den schon mal in der Schweiz war. Nein – aber jetzt schon. Das erste von vielen Nova für die kommende Woche. Nach kurzen acht Stunden Fahrt, auf der immer wieder die Dufourspitze erwähnt wurde, erreichten wir auch schon die fünfstöckige Tiefgarage des unscheinbaren Hotels Elite in Täsch. Für einen Spotpreis von 10 CHF am Tagen wurde das Auto hier geparkt, die Rucksäcke auf den Rücken geschnallt und erstmal mit dem Zug nach Zermatt gefahren. Hier erblickte ich zum ersten Mal das Matterhorn. Mit der Gornergratbahn ging es auf 2.807 m rauf auf den Rotenboden, wo unserer Tour etwa um halb vier nachmittags dann auch endlich begann.

Zustieg vom Rotenboden zur Monte Rosa Hütte

Auch unser Ziel, die Monte Rosa Hütte auf 2.882 m, konnte man bereits sehen. Obwohl ich gewarnt wurde, dass sich der Zustieg ganz schon in die Länge zieht, war ich fest davon überzeugt, dass es ja gar nicht so weit sein kann und die Hütte quasi nur noch hinter einer Kurve liegt. Wie ich mich getäuscht habe. Auf dem Weg wurden auch die Steigeisen bereits das erste Mal ausgepackt und ich stand nach über einem Jahr endlich wieder auf einem Gletscher. Die Hütte wurde fast rechtzeitig fürs Abendessen erreicht und wir freuten uns ein Zimmer für uns allein zu haben. Zumindest haben wir das zu diesem Zeitpunkt gedacht. Inzwischen stellte ich mir die Frage, auf welchen dieser Berge mich Markus und Bertl eigentlich raufschleppen wollen. Eine Karte wurde auf den Tisch gelegt und überlegt. Hmm, morgen sollten wir uns erstmal akklimatisieren. Vielleicht so auf 3.900 m, aber auf alle Fälle nahe an die 4.000 m. Und übermorgen dann die Dufourspitze, sind ja „nur“ 1.800 m im Aufstieg. Ähm, oke „nur“ 1.800 m, ich bin bis zu diesem Zeitpunkt an einem Tag maximal 1.400 m aufgestiegen, aber wir werden sehen. Der Hüttenwirt meinte Richtung Jägerhorn oder Cima di Jazzi sei es zu spaltig und wir sollten lieber schon einmal den Weg Richtung Dufour erkunden. Dann machen wir halt das. Als wir dann auch schon im Bett gelegen sind, kam die große Überraschung. Wir sind doch nicht alleine, sondern drei weitere Bergsteiger aus Niederösterreich sind ebenfalls auf unserem Zimmer, und sie schnarchen.

Montag 29.08.2022 (Akklimatisierungstour)

Am Montag ging es gegen 7 Uhr gemütlich los. Nach weniger als zwei Stunden erreichten wir auch schon den Anseilplatz und machten uns bereit für den Gletscher. Gurt, Steigeisen und Helm wurden angezogen, jeder hat sich ins Seil eingebunden und weiter ging es. Über die ersten Spalten waren wir bereits drüber, als von vorne das Signal kam, dass es hier nicht weiter geht. Ok, dann müssen wir halt wo anders über die Spalte. Nach über einer Stunde haben wir aus dem Spaltenverhau auch wieder herausgefunden, und sind endlich auf die Spur getroffen, die sich den restlichen Gletscher wie eine Autobahn hinaufzieht. An diesem Tag ging es für uns bis auf ziemlich genau 3.900 m (ein weiters Novum) hinauf, wo dann nach fünf Stunden eine wohl verdiente Pause eingelegt wurde.  Der Rückweg über die Spalten gestaltete sich um einiges leichter und wir erreichten auch recht zügig wieder die Hütte. Da es ja meine erste Tour auf Schweizer Boden war, musste auf der Hütte natürlich noch ein Rösti gegessen werden, was die zweite Neuheit des Tages war. Währenddessen wurde auch noch die Tour für Dienstag ausführlich geplant. Pünktlich nach dem Abendessen ist es dann auch schon ins Bett gegangen, sodass es bis zum Wecker um 02:15 noch 6 Stunden gewesen sind.

Dienstag 30.08.2022 (Dufourspitze 4.634m)

Dienstag 02:15 auf der Monte Rosa Hütte: Fast alle Gäste sind wache, die letzten Rucksäcke werden fertig gepackt, kaum jemand beachtet die Begrenzung von 1l Marschtee pro Person. So frühe aufzustehen ist für mich ebenfalls neu. Normalerweise gehe ich in den Ferien, um diese Uhrzeit ins Bett anstelle es zu verlassen. Um 3 Uhr machten sich dann alle auf den Weg in Richtung Gletscher. Nach 10 Minuten gab es für uns dann auch schon die gewohnte Ausziehpause und für mich ging es im T-Shirt weiter bis wir dann um 04:30 auch schon am Anseilplatz waren. Jetzt waren eine Jacke und Handschuhe doch ganz angenehm. Da der Weg von gestern bereits bekannt war, ging es zügig über die Spalten und ich war froh, dass wir nicht erst noch den Weg finden mussten. Danach folgten wir nur noch den Spuren, bis es dann auf den Grat ging. Schön langsam ging auch die Sonne auf und es wurde heller. Das Matterhorn glänzte in seiner vollen Pracht und wenn man genau hingesehen hat, hat man dort auch noch die Stirnlampen der BergsteigerInnen gesehen. Wie eine Ameisenstraße zogen sich die kleinen Lichtpunkte von der Hörnlihütte über den Grat bis zum Gipfel hinauf. Inzwischen bemerkte ich die dünne Luft und meine Waden fingen an zu ziehen.

Als wir dann auch schon an der Spalte vor dem Grat waren, haben wir eine kurze Pause gemacht und ich beobachtete fasziniert die ganzen Bergführer, die in drei Schritten die Steilstelle hinaufgelaufen sind, in einem unvorstellbaren Tempo eine Eisschraube gesetzt haben und dann auch schon ihre KundInnen hinaufzogen haben. Freundlicherweise wurden wir von einem dann auch noch darauf hingewiesen, von hier an am kurzen Seil zu gehen. Nach der Spalte kam dann die erste Gratkletterei. Am Anfang war bei mir noch etwas Überwindung notwendig, was sich aber schnell änderte. Nachdem die erste Kletterei dann auch hinter uns lag, ging es einen sehr steilen Firngrat hinauf. Hier musste ich mich bei jedem Schritt von neuem überzeugen, dass wir bald oben sind und das Gipfelkreuz schon fast vor uns ist. Als dieser kräftezerrende Abschnitt vorbei war, kam erneut eine Gratkletterei, die uns immer wieder auf und ab klettern lies. Hier sind uns die ganzen geführten Seilschaften entgegengekommen, die bereits im Abstieg waren. Der nette Bergführer von vorhin hat uns bei dieser Gelegenheit auch noch auf unser „scheiß Seilhandling“ hingewiesen. Inzwischen konnte ich den Gipfel schon sehen, aber ein Blick auf die Uhr zwang uns zu einer kurzen Pause. Weitergehen oder Umkehren? Eigentlich ist es schon viel zu spät (ca. 10:30), und zum Gipfel sind es noch mindestens 10-15 Minuten. Der Wetterbericht hat auch noch ein Gewitter für den Nachmittag angesagt. Es brauchte keine fünf Minuten und wir haben uns einstimmig fürs Umkehren entschieden. Ein Letzter Blick in Richtung Gipfelkreuz und wir machten uns auf den Weg zurück zur Hütte. Hochkonzentriert kletterten wir zurück und ließen den Grat hinter uns liegen. Der Abstieg über den Gletscher funktionierte sehr gut und schnell, sodass wir ihn in einem Stück meisterten. Am Anseilplatz wurde noch eine Pause eingelegt, die Wolken brachten uns aber recht schnell dazu wieder aufzubrechen. Auf dem Weg zur Hütte wurden wir leider doch noch vom Regen erwischt und mussten uns verstärkt konzentrieren, um nicht auf dem nassen Gestein auszurutschen. Wieder auf der Hütte angekommen, wurde erstmal ein Nickerchen gemacht, bevor es dann auch schon das wohlverdiente Abendessen gab. Nach dem Essen wurde überlegt, wo es die nächsten drei Tage noch hingehen soll. Da der Wetterbericht noch nicht wirklich aussagekräftig war, haben wir die Tourenplanung auf das Frühstück verschoben. Das Highlight des Abends waren dann noch die mitgebrachten „Partynüsse“ und eine Toblerone, die leider nicht auf dem Gipfel verzerrt wurden. Da der Tag dann doch ganz schön lang und anstrengend war, ging es auch relativ bald ins Bett. Dieses Mal hat mich nicht das Schnarchen, sondern das Trommeln der Regentropfen an der Fensterscheibe in einen tiefen Schlaf versetzt.

Mittwoch 31.08.2022 (Transfertag)

Als ich meine Augen öffnete war es bereits hell und der Blick auf die Uhr hat mir verraten, dass es „schon“ 06:45 ist. Vor 24 Stunden waren wir da schon fast vier Stunden unterwegs. Gut, dass wir heute erst um 7 Uhr frühstücken. Bei einem ausgiebigen Frühstück beschlossen wir auf die Täschhütte zugehen und dann am Donnerstag den Alphubel mit 4.207 m zu besteigen. Gemütlich ging es dann von der Monte Rosa Hütte zurück zum Rotenboden. Während des Abstiegs genoss ich die Landschaft und konnte meinen Muskelkater ein bisschen ausgehen. Als von hinten plötzlich eine Stimme erklang und mich aufforderte mal nach rechts zu schauen, konnte ich meine Augen nicht ganz trauen als da 10, nein 11, 12, …, 16 Steinböcke und ein Junges standen und sich in der Sonne ausruhten.

Nach einer längeren Pause, in der die Steinböcke bewundert wurden, ging es zur Bahn und ich blickte ein letztes Mal auf die Monte Rosa Hütte zurück. Wie ein UFO liegt es da auf den Felsen zwischen den Gletschern. Eine Unterkunft für viele in dieser feindlichen Landschaft. Wieder beim Auto angelangt, ging es zur Täschalp, wo geparkt wurde und noch eine Kleinigkeit, also ein Rösti, gegessen wurde. Von dort waren wir nach einer Stunde Fußmarsch auch schon auf der Täschhütte (2.701 m).

Donnerstag 01.09.2022 (Alphubel 4.207m)

Auf der Täschhütte gab es das Frühstück „erst“ um 03:30. Ich war sehr verwirrt, als ich gesehen habe, wie die anderen Gäste ihren Tee/Kaffee aus einer Schüsseln getrunken haben, bis mir auffiel, dass es hier keine Tassen gibt. Dann gibt’s den Tee heute halt aus einer Müslischüssel. Um 4 Uhr waren wir dann auch schon auf dem Weg in Richtung Gletscher. Am Anseilplatz angekommen, war es bereits hell und die Stirnlampen konnten wieder im Rucksack verstaut werden. Auf dem Eis ging es dann erstmal recht steil nach oben, über ein paar Spalten und schon waren wir im Alphubeljoch auf 3.772 m angekommen. Nach einer kleinen Pause in der Sonne ging es dann auch schon wieder weiter und die letzten Höhenmeter wurden angepackt. Unser Weg ging über die „Eisnase“ und nicht den Normalweg. Hier gab es ein kleines Kletterstück und als krönendes Finale einen Firngrat zum Gipfel. Oben angekommen hatten wir eine überragende Sicht, die mit Worten kaum zu beschreiben ist. Der Blick auf das Matterhorn, den Mont Blanc und die Dufourspitze, auf der wir ja vorgestern noch selbst gestanden sind, und darunter ein Wolkenmeer, dass uns vollkommen von der restlichen Zivilisation abspaltet. Dieser Moment, als wir auf dem Gipfel standen, genau dieser unbeschreibliche Moment, ist es der mich die ganze Anstrengung des Aufstiegs vergessen lässt, der alle anderen Gedanken in meinem Kopf in den Hintergrund rücken lässt. Es sind genau diese Momente, die mich jedes Mal wieder dazu motivieren, aufzustehen und noch einen Schritt weiterzugehen. Runter ging es dann über den Normalweg und somit haben wir quasi eine Überschreitung gemacht. Mein letztes Novum für diese Tour. Der Rückweg über den Gletscher verlief reibungslos und unterhalb des Anseilplatzes haben wir am Alphubelsee noch eine längere Pause eingelegt, hier bereute ich es sehr keine Badesachen mitgenommen zu haben. Nichtsdestotrotz konnte ich meine Füße im Wasser etwas abkühlen. Wieder auf der Täschhütte angekommen, gab es noch eine Suppe als Stärkung, bevor es dann wieder ganz runter auf die Täschalpe ging. Dort gab es für jeden von uns erst einmal eine Dusche, nach welcher man sich wie neugeboren gefühlt hat, und die beste Kürbissuppe, die ich je gegessen habe. Auf Markus Wunsch hin nicht gesiezt zu werde, kam vom Kellner nur ein „sorry bro“ zurück. In Daunenjacken und Decken eingewickelt genossen wir noch das Alpenpanorama auf der Terrasse.

Freitag 02.09.2022 (Heimreise)

Ausschlafen, naja also fast ausschlafen war angesagt. So tief und fest hatte ich schon lange nicht mehr geschlafen. Beim Frühstücken wurde aus Gewohnheit auch gleich wieder die Schüssel anstelle der Tasse genommen. Auf den zweiten Blick musste aber festgestellt werden, dass es hier sehr wohl Tassen gibt. Nach einem ausgiebigen Frühstück machten wir uns dann auch schon auf den Heimweg. Durch viele Baustellen und über zwei Pässe und wir waren schon fast wieder daheim. Gegen 18 Uhr erreichten wir dann auch wieder unsere schöne Hallertau.

Ich habe in dieser Woche unglaublich viele neue Erfahrung gesammelt und so einiges gelernt. Jetzt kann ich auch endlich stolz behaupten einen 4.000er bestiegen zuhaben.

Cosima Stuber

Bertram, Cosima, Markus